Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und viele von uns nutzen diese Zeit, um zurückzublicken und zu reflektieren.
- Wo stehe ich gerade?
- Was habe ich in diesem Jahr gelernt?
- Was möchte ich im nächsten Jahr erleben?
Auch ich gehöre zu denjenigen, die sich bewusst Zeit nehmen, nicht nur zum Auftakt ins neue Jahr. In diesem Jahr habe ich mich erneut einige Tage hingesetzt und reflektiert, inwiefern ich meinen Purpose eigentlich gerade lebe. Das Buch „Start with Why“ von Simon Sinek hat mich bereits vor einigen Jahren inspiriert und sehr zum Nachdenken angeregt.
Die Definition des „Warum“, also der goldenen Mitte des ganzen Purpose-Konstrukts, steht für den grundlegenden Zweck oder die tiefere Motivation, warum Du existierst und handelst,
wie Du handelst. Es beschreibt also Deine Kernmotivation.
Aus meiner Sicht verhilft die aktive Suche nach dem Purpose jedem Menschen zu einem erfüllten Leben. Zugegeben, es ist manchmal echt nervenaufreibend und bei mir persönlich hat es starke Emotionen hervorgerufen. Wenn man sich seinem Purpose nämlich Schritt für Schritt nähert, setzt man sich sehr intensiv und aktiv mit den Prägungen seiner Kindheit und Jugend auseinander. Sich damit zu beschäftigen, kann aber lebensverändernd sein und vor allem habe ich Folgendes festgestellt:
Die Definition des Purpose ist für Teams im Arbeitskontext genauso wichtig wie für jeden Einzelnen von uns.
Immer wieder sehe ich, wie Unternehmen ihre Wände mit generischen Sprüchen schmücken. Der Prozess zur Findung des tatsächlichen Unternehmenszwecks wird häufig als „soft“ abgetan, eine Übung, die man schnell abhandelt, bevor es an die wirklich wichtigen Aufgaben geht.
Das finde ich grundsätzlich falsch, denn wenn Mitarbeitende nicht wissen, was das höhere Ziel ihrer Arbeit ist, verliert der Job und seine Sinnhaftigkeit enorm an Relevanz. Aber auch das Recruiting wird zur Herausforderung, wenn Führungskräfte nicht vermitteln können, wofür das Unternehmen eigentlich steht.
Ein durchdachter und gut formulierter Purpose sollte kein Marketinginstrument sein.
Er ist geprägt durch die Gründer:innen und die Historie des Unternehmens, der sich durch alle Bereiche über Jahre hinweg ziehen sollte.
Der Purpose ist entscheidend, weil er die Grundlage für die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden bildet. Unternehmen müssen nicht nur erklären, was sie tun, sondern vor allem auch, WARUM sie es tun. Wenn Mitarbeitende wissen, WARUM sie etwas tun und WOFÜR sie jeden Tag aufstehen, kann auch eine tiefere Verbindung zur Arbeit entstehen.
Wie ein Unternehmen sich seinem Purpose nähern kann
Um sich dem Purpose zu nähern, kann ich Simon Sinek’s Konzept des „Golden Circle“ sehr empfehlen, was bereits die Basis einiger Unternehmen dieser Welt ist.
Der Golden Circle besteht aus drei Bestandteilen:
Why: Der innerste Kreis repräsentiert das „Warum“. Warum existiert das Unternehmen? Was sind seine tiefen Überzeugungen und Werte?
How: Der mittlere Kreis steht für das „Wie“. Wie setzt das Unternehmen seine Überzeugungen in die Praxis um? Welche Prinzipien leiten sein Handeln?
What: Der äußerste Kreis repräsentiert das „Was“. Was bietet das Unternehmen an? Das sind die konkreten Produkte oder Dienstleistungen.
Die Formulierung des Unternehmenszwecks ist also vielschichtig. Um den Werten und Überzeugungen auf den Grund zu gehen, haben Teams verschiedene Möglichkeiten, wie z.B.:
- Teambesprechungen und Workshops, in denen Teammitglieder:innen ihre Perspektiven teilen und reflektieren, warum sie Teil des Teams sind
- Umfragen
- Interviews mit Schlüsselpersonen, vor allem jene, die tiefe EInblicke in die Historie des Unternehmens haben
- Analyse von Erfolgsgeschichten, um zu identifizieren, welche Aktivitäten besonders sinnvoll und erfüllend waren
- Kundenfeedback, um den externen Einfluss einzuschätzen
Nachdem Daten gesammelt wurden, ist es wichtig, die gemeinsamen Themen und Muster zu identifizieren. Die Formulierung des Purpose sollte prägnant, inspirierend und von allen Teammitgliedern geteilt werden können. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, da sich der Purpose mit der Zeit entwickeln und an Veränderungen in der Organisation oder Umwelt angepasst werden kann.
Schlussendlich landet man im besten Fall bei einer Formulierung, die wie folgt lautet:
„Unser Warum ist (…), wir verfolgen es, indem wir (…) durchführen, um (…) zu schaffen.“
Da dieses Thema mich so sehr beschäftigt, habe ich drei Haupterkenntnisse aufgeschrieben, die bei der Formulierung des „Why“ meiner Meinung nach wichtig sind.
Drei wichtige Prinzipien bei der Formulierung des Unternehmenszwecks
1. Es ist ein Fehler, sich nicht ausreichend Zeit für die Formulierung des Purpose zu nehmen.
Die Entwicklung des Unternehmenszwecks ist keine Nebentätigkeit, sondern erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit der Unternehmensgeschichte sowie den Verhaltensweisen und Entscheidungen, die das Unternehmen über seine gesamte Lebensdauer geprägt haben. Dies erfordert daher genügend Zeit für Reflexion, und es ist wichtig, dass Führungskräfte diese Aufgabe ernsthaft angehen. Der Prozess der Findung kann langwierig sein und viele unstrukturierte, gefühlsbetonte Gespräche erfordern. Durch diese intensive Auseinandersetzung und die Betrachtung verschiedener Perspektiven kommt man letztendlich zum „Warum“.
2. Der Purpose muss wahr sein.
Es geht nicht nur darum, etwas Positives zu sagen, sondern darum, eine tief empfundene Überzeugung zu teilen. Der Unternehmenszweck muss authentisch sein. Er basiert auf der wahrhaftigen Motivation der Mitarbeiter:innen, die das Unternehmen gegründet haben. Daher ist es hilfreich, sich intensiv mit den Beweggründen der Unternehmensgründung auseinanderzusetzen und einen Soll-Ist-Vergleich mit der aktuellen Situation vorzunehmen. Es erleichtert die Findung des Unternehmenszwecks, wenn man sich fragt: „Wie tragen wir zu einer besseren Welt bei?“ Die erste Antwort ist oft nicht die richtige, sondern durch wiederholtes Hinterfragen kommt man zu einer idealistischeren Aussage, die dann die zugrunde liegende Motivation darstellt.
3. Der Purpose kann verschiedenen Kategorien zugrunde liegen und dem anderer Firmen ähneln
Der Unternehmenszweck kann auf verschiedenen Kategorien basieren, wie z. B. einem Mehrwert für Kund:innen, der Branche, einem gemeinnützigen Zweck oder der Gesundheit. Ein Beispiel ist der Purpose von Amazon, der darauf abzielt, die weltweit kundenzentrierteste Firma zu sein. Die Kategorien des Unternehmenszwecks können vielfältig sein, und das ist legitim. Es ist wichtig zu verstehen, dass es auch nicht schlimm ist, wenn andere Unternehmen einen ähnlichen Satz formuliert haben, solange dieser auf eigener Vorarbeit und Geschichte basiert. Jede Geschichte ist letztendlich einzigartig.
Meine abschließenden Gedanken zu diesem Thema
Eine Idee zum Jahresabschluss könnte also sein, sich erneut intensiv dem Unternehmenszweck zu widmen und zu reflektieren, ob man diesen auch weiterhin lebt. Schaut euch die aktuellen Unternehmenswerte an. Wie spiegeln sie die Gründungsprinzipien und die langfristigen Ziele wider? Ein sorgfältiger Abgleich kann helfen.
Was auch sehr spannend sein kann: Fragt das Team nicht einfach mal, ob sie den Purpose überhaupt kennen? In meiner Umfrage letzte Woche konnten 31% nicht sagen, wofür ihre Firma steht.
Wenn ein Unternehmen sich nicht klar von anderen abgrenzen kann und das Verhalten der Mitarbeitenden keinen Werten zugrunde liegt, steht es eben für nichts. Das ist keine gute Grundlage, um wettbewerbsfähig zu bleiben und harte Zeiten durchzustehen.
Ich möchte mit einem Zitat von Simon Sinek dazu abschließen:
All organizations start with WHY, but only the great ones keep their WHY clear year after year. – Simon Sinek